DSM: Gehen wir noch mal einen Schritt zurück: Mit dem Ford Capri waren Sie ja recht erfolgreich auf der Rundstrecke unterwegs gegen die BMW 3.0 CSL Coupé. Wie kam der Wechsel von Ford zu BMW zustande?
JN: Ford war damals im Motorsport die Nummer 1. In Amerika NASCAR und Indy, Formel 1, Rallye-WM. Ford Deutschland wollte mit einem eigenen Produkt da mitmischen. Wir haben in Köln angefangen, da war nichts. Da war kein Schreibtisch. Da war eine Abschmiergrube, kleiner als dieser Frühstücksraum. Dann haben wir zunächst erstmal die Escort aus England geholt und sind Deutsche Meisterschaft, Bergmeisterschaft gefahren und waren recht erfolgreich und haben viel gewonnen.

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Dann haben wir angefangen den Capri als eigenes Modell von Ford Köln zu entwickeln, das hat lange gedauert. Wir hatten Probleme in der Motorenentwicklung und im ersten Jahr, 1970, hatten wir viele Motorschäden, dass wir eigentlich nur noch Bergrennen fahren konnten. Dann haben wir Peter Ashcroft aus England geholt – ein Motorenmensch – und da kam die große Wende. Der Capri hatte den Vorteil, dass es ein relativ leichtes Auto gegenüber dem BMW war. Und das Auto war dann unschlagbar. Was heißt unschlagbar, aber es war das Maß der Dinge.

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Im Januar 1972 bekam ich einen Anruf von Bob Lutz. Er war damals neu im BMW Vorstand und war ein Motorsportmann. Alpina versuchte immer das Leichtbau Coupé zu homologieren und hat kein OK vom Vorstand bekommen. Das Auto musste leichter werden, dazu mussten wir 1000 Autos bauen, um die Homologation zu erreichen. Als Bob Lutz anrief, sagte er, er wollte den Motorsport neu organisieren. Wir hatten bei Ford das beste Team, für mich gab es überhaupt keinen Grund zu wechseln. Wir hatten alles. Ich dachte, wenn schon, dann kann ich auch Forderungen stellen.
Mir war es wichtig, dass erst einmal 1000 Leichtgewicht Autos gebaut und homologiert werden und dass man zweitens, eine eigene Firma gründet, eine Firma die auch Geld verdienen kann.
Bob Lutz war damals so stark, dass er das durchgesetzt hat. Der Keypoint war, 1000 Autos zu bauen. Das waren leichtgewichtige Autos, das war ein Risiko, denn die Autos muss man auch verkaufen. Die hätte man nicht verkauft, wenn man nicht auch erfolgreich gewesen wäre. Er ist das Risiko eingegangen und die Geschichte hat bewiesen, dass das positiv war. Für mich war das damals so – ich war in einer guten Position und wollte nicht wechseln.
Als ich zu BMW kam, war es schwierig. Als ich von Köln nach München kam, da waren da nur die Tuner. Bei BMW war der Motorsport an die Tuner delegiert und jeder hatte den eigenen Wettbewerb, auch gegeneinander. Die haben nicht kommuniziert und die Entwicklungen für sich behalten. Als ich dann kam und eine eigene Gesellschaft gegründet habe, war ich erst mal deren großer Gegner, weil ich in deren Geschäftsbereich eingegriffen habe.
Aber das ging dann relativ schnell mit der Entwicklung und auch der Homologation des CSL, da haben die auch mit profitiert, weil sie ein besseres Ausgangsmodell hatten. Ich werde es nie vergessen, ich kam nach München an den Frankfurter Ring, da gab es ein Großraumbüro – gibt es heute nicht mehr – da bekam ich einen Schreibtisch und dann saß ich da. Dann gab es da eine kleine Rallye Gruppe und das „underground Racing Team“ um Paul Rosche, die mehr oder weniger nur nach Feierabend Rennen fahren durften. Dann haben wir die 5 Rallye Leute übernommen, ein Gelände gesucht, das Wacker Gelände, damals auf der Preußenstraße.
Das kann man sich eigentlich heute auch nicht mehr vorstellen. Von Mai 1972 an, im Jahr 1972 die tausend Autos gebaut, homologiert, die Wettbewerbsversionen gemacht und waren im darauffolgenden Jahr 1973, bereits Europameister und haben die ganze Firma aufgebaut. Wir waren 5 Leute, wir mussten aufbauen auf 70 Leute und das alles innerhalb kurzer Zeit. Und auch das wieder: Da war ein solcher Drive drin. Wenn Sie so schnell aufbauen, gibt es auch immer wieder Fehlbesetzungen. Die kamen und haben sich nicht wohl gefühlt in dem Kreis und sind wieder gegangen. Ich brauchte niemanden rausschmeißen. Da war eine solch gute Atmosphäre. Wir haben damals als Team Welten versetzen können. Das Engagement war ganz wichtig und ein Punkt, weshalb wir so erfolgreich waren, innerhalb so kurzer Zeit.
Davor, die Leute die vorgearbeitet hatten, waren alle sehr kreativ. Aber unter Rosche durften sie nur nach Feierabend arbeiten und wenn ein Auto fertig war, sind sie Rennen gefahren. Da war keine Strategie drin und wir haben dann ganz klare Zielsetzungen gehabt und haben die Punkt für Punkt abgearbeitet. Und das hat diesen Umbruch dann gebracht. Das war eine spannende Zeit, aber anfangs nicht einfach.

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Die ganzen Motorsport-Institutionen sind teilweise mit Technikern besetzt, ich sage mal, nur mit Technikern. Die haken alles ab, und sie haben auch nicht die Visionen. Aber wenn Sie selbst Rennen gefahren sind und das war mein großer Vorteil, dann haben Sie ein ganz anderes Verständnis dafür. Dann können Sie auch Ziele setzen und das für alle Bereiche.
Heute, das erlebe ich auch bei BMW, dass teilweise die Techniker gegen die Fahrer arbeiten. „Der soll doch damit zurechtkommen was wir machen“. Das Verständnis fehlt.
Auch heute erlebe ich das sehr oft. Bei der Beurteilung, wer gut ist und wer nicht gut ist. Da gibt es die, die haben ihre Erfahrungen gemacht. Die wissen, was es gibt, ja die kennen auch die Konkurrenz, aber die betrachten nicht, was von unten kommt und was für die Zukunft wichtig ist.
DSM: Gehen wir weiter in der Zeit. Wie lange waren Sie bei BMW und wie ging es weiter?
JN: Bis 1980, dann bin ich zu PSA (Peugeot) gegangen. Das war so bei BMW: Wir hatten ein Verbot Formel 1 vorzubereiten. Wir hatten natürlich den Turbomotor im Tourenwagen entwickelt, wir hatten in den USA mit McLaren Engines entwickelt, sogar teilweise gegen Rosche und wir hatten den Plan, in die Formel 1 zu gehen. Ron Dennis hatte schon die Fühler ausgestreckt: Niki Lauda, McLaren, mit einem solchen Motor zu beliefern. Und das hat sich dann so aufgeschaukelt, dass vom Vorstand ein Beschluss kam: „Keine Formel 1!“ Dr. Rademacher war damals Entwicklungsvorstand. Er sagte, wer Formel 1 macht, der fliegt. So drastisch war das.
Wir hatten mit dem M1 gewisse Probleme, weil der qualitätsmäßig schwierig war. Als Lamborghini pleite ging, hatten wir diese Produktionsschiene aufgebaut, die sehr kompliziert war und der M1 hatte finanziell eine schlechte Linie. Das war ein Punkt, den man hätte überbrücken müssen, aber der Vorstand hat gesagt: „Budgetkürzung“ – für 90 Leute.
Dann habe ich gesagt: „Keine Formel 1, Budgetkürzung“. Ich war in Paris bei der FIA zur Siegerehrung, wir hatten ja die Europameisterschaft gewonnen.
Ich kam von der Bühne runter mit dem Pokal, da stand Jean Todt da mit Perrin-Pelletier, das war damals der Chef von Talbot. Peugeot-Citroën wollte als dritte Marke Talbot aufbauen und Peugeot-Citroën hat Simca von Chrysler gekauft und wollte Talbot nur deshalb aufbauen.
Er hat dann ein Angebot gemacht, ein Formel 1 Projekt in Frankreich aufzubauen unter dem Namen Talbot. Es sollte kein Hightech Produkt werden, sondern den Motorsport nur zur Aufmerksamkeit nutzen und das war ein 3 Jahresvertrag und es war eben attraktiv. Da habe ich zugesagt und als ich dann nach Paris kam, wollte man den Matra Zwölfzylinder Motor nutzen, Matra gehörte ja zum PSA Konzern. Aber der war nicht Stand der Technik.
Dann habe ich das Talbot Management überzeugt, doch den BMW Motor zu kaufen und habe dann auf Vorstandsebene verhandelt und wir haben dann einen Vorvertrag gemacht, der besagte, dass BMW den Formel 1 Motor – damals hieß er nicht Formel 1 Motor, sondern Turbomotor – Formel 1-seitig weiterentwickelt, die Rechte an Talbot verkauft, den Service auf der Rennstrecke für Talbot erledigt.
Talbot wollte kein Hightech Image haben, da gab es einen Vorvertrag und wir hatten in Paris den Hugues de Chaunac von Oreca, wo er heute noch der Chef ist, er war der Technikchef, er hatte Alain Prost als Fahrer unter Vertrag, der war damals in der Formel 3 am Start. Und er hatte ein Angebot von Bernie Ecclestone, Brabham zu kaufen.
Das war damals also das Konstrukt.
Dann kam die große Revolte in München. Meine ehemaligen Mitarbeiter, allen voran Paul Rosche, haben gesagt, das geht nicht, dass BMW Know-how verkauft und eine Konkurrenzmarke aufbaut. Sie waren erfolgreich und daraufhin wurde der Vorvertrag bei einem Meeting, das werde ich nie vergessen, in Le Bourget in Paris, mit BMW und PSA, zerrissen. Damit war dann auch meine Zeit in Paris vorbei.
Mein Vertrag wurde aufgelöst, ich war finanziell abgesichert. Dann, ich war ja in Paris, bin ich zur FIA gegangen und habe die Verbrauchsformel für die World Endurance Championship mit erarbeitet. Damals gab es den FOCA/FISA Konflikt, da wollte Ecclestone eine eigene Formel 1 Serie machen. Balestre war damals FIA Präsident und der hat die Sportwagen Weltmeisterschaft aufbauen wollen für den Fall dass man die Formel 1 verliert.
Dann kam die Vereinbarung, dass Ecclestone die wirtschaftlichen Rechte an der Formel 1 erhält und damit war das FIA-Programm World Endurance Championship gelaufen.
Danach kam ein Angebot von IMG und Mark McCormack und ich wurde Vice President Motorsport am Hauptsitz in London. Da haben wir Senna und Prost als Fahrer gehabt, Beraterverträge mit Nürburgring und Le Mans, wir haben Sponsoren für Fahrer und Teams gesucht.
IMG hatte 25 Büros weltweit gehabt, McCormack ist einmal im Monat um die ganze Welt gereist. Das war ein irrer Typ. Da habe ich die Vermarktung gelernt, auch wenn das nicht mein Gebiet war. Ich kann nicht verkaufen. Aber immerhin, ich war erfolgreich.

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Wir haben für Sauber damals Yves Saint Laurent als Sponsor mit Kouros geholt. Damit kam der Kontakt zu Sauber zustande, der mit einem Mercedes Motor, der aber kein offizieller Motor war, recht erfolgreich war. YSL wollte den Namen Kouros mit Mercedes verbunden haben. Das Auto hieß Kouros-Mercedes.
Die Verhandlungen habe ich damals geführt mit Mercedes, deshalb hatte ich einen Kontakt zu Mercedes. Das war 1986 glaube ich, als dann bei Mercedes ein Vorstandsbeschluss kam, wieder in den Motorsport zu gehen.
Man hat dann bei Mercedes eine Strategiegruppe gegründet. Da wurde ich als Aussenstehender mit einbezogen. Die Strategiegruppe hat denn eine Mittelfristplanung gemacht, wie der Motorsport für Mercedes in Zukunft aussehen sollte. Das Ergebnis war dann, dass wir den Spitzensport über eine außenstehende Gesellschaft, Sauber, umsetzen.
Auch die Entwicklung des Autos würde diese Aussenstelle machen. Zentral sollte Stuttgart die langfristige Forschung Motor/Getriebe machen und für den Tourenwagensport wollte man AMG als Aussenstelle einsetzen, die auch für das Konzept und den Einsatz des Autos verantwortlich waren.
Und als das abgeschlossen war, wurde ich als Leiter Motorsport nach Stuttgart einberufen. Wir waren ein Dreigestirn, das war der Vorgänger von Norbert Haug, Bernd Harling, Pressemann von Mercedes, das war Dr. Hiereth für die Technik und ich, um die Motorsporteinsätze zu leiten. Jedenfalls kam dann später Norbert Haug, der Bernd Harling ersetzte. Und die Aufgabenstellung war zunächst einmal, das Team Sauber bestand aus sieben Mechanikern und vielen von außen, aufzubauen und auch die ganzen Gebäude aufzubauen.
Mit der Teilnahme an der Sportwagenweltmeisterschaft sowohl das Team, als auch die Organisation aufzubauen und parallel dazu in die Formel 1, also in die höchste Kategorie, einzusteigen. Also nicht direkt, um nicht das Risiko eines Misserfolges einzugehen, sondern kontinuierlich aufzubauen. Das ist ja auch gelungen bei Mercedes, wir waren zweimal Weltmeister, sowohl Konstrukteur als auch Fahrer (1989/90).

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Damals hatten wir Harvey Postlethwaite, das war einer der besten Konstrukteure überhaupt, Mike Gascoyne, einen der besten Aerodynamiker und parallel dazu haben wir das Formel 1 Auto aufgebaut. Aber nach außen hin haben wir immer gesagt, die Formel 1 ist kein Thema, wir wollten die Sportwagenweltmeisterschaft, die Erfolge hatte, mit aufbauen.
Nun war es so, dass wir im Herbst 1991, im November oder Dezember, den Formel 1 Eintritt bekanntgeben wollten, das Auto war fertig. Dann kam alles anders. Reuter war damals Konzernvorstand, es gab ja diesen Gemischtwarenkonzern, Niefer war Mercedes-Benz-Chef, die Automobilsparte hatte damals keine Priorität mehr, deshalb hat er Formel 1 gewählt, um wieder die Automobilsparte nach vorne zu bringen.
Reuter hat dann bei AEG, ich glaube 27.000 Leute entlassen müssen und zur gleichen Zeit konnte man nicht die Formel 1 anfangen. Er hat dann also das Programm von heute auf morgen ersatzlos gestrichen.
Man kann heute mit Sicherheit sagen: Michael Schumacher wäre im Silberpfeil Weltmeister geworden
Jochen Neerpasch
Das war für mich eine solche Willkür, das habe ich weder vorher noch hinterher erlebt. Sie müssen sich vorstellen, wir hatten einen Michael Schumacher, wir hatten einen Karl Wendlinger, wir hatten eines der besten Autos, einen der besten Konstrukteure … Also, man kann heute mit Sicherheit sagen, Michael Schumacher wäre im Silberpfeil Weltmeister geworden! Das kann man heute mit Sicherheit sagen!
Ich meine, das war so greifbar. Was ist danach passiert. Ich bin dann bei Mercedes ausgeschieden. Ich war noch bei Sauber, vertraglich noch mal ein Jahr und es gab ein Angebot von Mercedes, entweder macht Sauber selbst Formel 1 oder aber Sauber macht eigentlich das, was AMG dann gemacht hat, Prototypen bauen. Ich habe mich dann für letzteres entschieden. Peter Sauber war schon so in der Formel 1 drin, dass er die Formel 1 als Privatmann weiterführen wollte. Da bin ich ausgeschieden, bei Sauber und bei Mercedes und bin nach Südfrankreich gezogen und hab erst mal Olivenbäume gezüchtet und war einfach weg vom Motorsport.
Wenn man sieht, was dann passiert ist. So die typische Sache, wenn man einen Ausstieg macht, ohne eine Weiterplanung. Dann sind bei Sauber die F1 Leute weggegangen, Harvey Postlethwaite, Mike Gascoyne und die ganzen F1 Experten waren weg. Sauber hatte auch nicht mehr das Budget, aber die ersten Einsätze von dem Auto waren die besten. Da hat man gezeigt, das Potential war da und dann fehlte das Geld und die Leute und dann ging’s nur noch so weiter.
Aber das war für mich der Beweis, dass Michael Schumacher Weltmeister geworden wäre. Da war für mich dann erstmal – naja, da habe ich sehr drunter gelitten!
DSM: Das glaube ich. Das ist wieder einfach so eine Situation, wo Leuten die Vision fehlte …
JN: Ja, ich meine, das sind übergeordnete Leute. Vom Konzern her, er (Reuter) hatte einfach … es war für ihn nicht wichtig. Tja, jedenfalls, wir hätten da mehr gegen kämpfen müssen. Ich hatte da mit Norbert Haug einen Partner, der in Stuttgart saß und ich saß in Hinwil, wir waren nicht immer gleich und ich meine, wir hätten da gegen kämpfen können oder müssen, haben es aber nicht geschafft.
Was dann passiert ist, Sauber ist als Privat Team in die F1 eingestiegen. Wenig später stand dann wieder auf den F1 Einsatzwagen „Powered by Mercedes-Benz“, aber der Erfolg des Sauber Privatteams blieb aus.
Und das ist für mich deutlich, wir hatten eine ganz klare 5-Jahresplanung und die ist dann nicht mehr eingehalten worden, die hat man zerrissen. Und was ist dann passiert. Man hat dann also Sauber weiter unterstützt und dann hat man McLaren als Motorenhersteller beliefert und das war ein Punkt, den wir in der Mittelfristplanung ganz klar herausgestellt hatten, dass Mercedes nicht als Motorenhersteller, sondern mit dem Gesamtkonzept mit einem eigenen Silberpfeil starten muss.
Das wurde völlig vergessen, man hat ich weiß auf wie viel Jahre McLaren unterstützt. Man hat sicher auch die Weltmeisterschaft gewonnen, aber die hat nicht Mercedes gewonnen, sondern McLaren. Es wurde die englische Nationalhymne gespielt. Das sind für mich so Zeichen, wenn man keine Strategie hat, dann passieren solche Fehler. Sie sind erst wieder erfolgreich unter Toto Wolff geworden, dann aber richtig. Das war dann wieder ein richtiges Konzept. Ja, also da war ich weg vom Motorsport. Und dann …
DSM: Jetzt mal persönlich gefragt, haben Sie das auch so ein bisschen als persönliche Kränkung empfunden?
JN: Ja, das war, ich meine, wir haben knallhart gearbeitet, das ganze Team hat knallhart gearbeitet, und für mich war das eine herausragende Leistung, was Sauber da geschaffen hat mit dem Aufbau und in der kurzen Zeit zwei Weltmeisterschaften gewonnen. Doppelsieg in Le Mans, das ganze Team, einen Harvey Postlethwaite zu haben, das war für mich keine persönliche Kränkung, ich sah das Ziel und das gab’s dann nicht.
Ich hab dann eine Weile in Südfrankreich verbracht, finanziell war ich einigermaßen abgesichert. Und dann hab ich, wir hatten eine Ferienwohnung im Engerdin, um wieder reinzukommen, da hab ich Jürgen Lewandowski getroffen. Er kam mit einem Bentley an in dem Hotel, in dem wir unser Appartement hatten. Dann haben wir uns getroffen und dann hat er gesagt, du müsstest eigentlich ein Buch schreiben. Dann habe ich gesagt, um Gottes Willen, ich ein Buch schreiben, niemals. Und dann haben wir uns geeinigt und haben erst das M1-Buch geschrieben. Und dann bin ich wieder aufgewacht.
Olivenbäume alleine ging nicht!
Jochen Neerpasch
Für mich gab’s immer nur, nach dem Rennen ist vor dem Rennen und immer nach vorne. Ich hab nie Pokale gesammelt, ich hab alles was Vergangenheit war, das war bei mir weg. Und durch den lieben Lewandowski bin ich dann durch das Buch schreiben, ja, wieder in die Materie eingestiegen und hab dann gesehen und kam erst mit der Vergangenheit wieder nach Hause. Da bin ich wieder zurückgekommen und letztendlich bin ich dann auch wieder zu BMW gekommen mit diesem Projekt und da bin ich so froh drüber, dass ich wieder den Anschluss gefunden hab. Das war … Olivenbäume alleine ging nicht!
DSM: Wir haben eben so einen kleinen Sprung, oder kleine Kurve, um die Zeit 1977 gemacht. Die Zeit der ersten Junioren. Vielleicht können wir da noch mal so ein bisschen in die Schiene rein, die dann, jetzt im Zeitensprung, Anfang der 2020er dazu geführt hat, die neue Juniorentruppe aufzubauen.

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JN: Für die Junioren gab’s eigentlich zwei Gründe. Einmal, Nachwuchsförderung war immer schon für mich sehr wichtig, das war ein Thema und 77, ich glaube es war 76, da wurde der (BMW) 2002 abgelöst durch die 3er-Reihe und die 3er-Reihe ist beim Publikum nicht so sportlich angekommen. Da haben wir, ich war ja nun der Bereichsleiter, dann haben wir gehört, ok, dann machen wir doch mit dem 3er ein Motorsportprogramm.
Damals gab’s die Gruppe 5 und wir hatten eigentlich vom 3.0 CSL alle Aggregate bekommen, konnten also relativ schnell, innerhalb von 6 Monaten, so ein Auto darstellen. Es gab damals zwei Divisionen, über 2 Liter und bis 2 Liter Hubraum und die bis 2 Liter-Division mit dem 3er gegen die Escorts zu fahren, das war uns nicht attraktiv genug. Da haben wir das Junior-Projekt überlegt und haben damals die drei Ersten der Formel 3 in Deutschland genommen. Einfach, weil die die Besten waren und sind mit ihnen auch nach St. Moritz zum Fitness-Training mit Günter Traub gegangen und haben sie physisch und mental, auch als Team, auf die Saison vorbereitet. Und das hat keiner gemerkt.
Als wir dann das erste Rennen in Zolder hatten mit den Dreien, das Auto war auch gut und wir sind den alten Hasen um die Ohren gefahren – und noch eins, wir haben die drei Junioren in den Werksautos eingesetzt und die drei Senioren, Stuck, Peterson und Hobbs, haben wir den Tunern gegeben. Sodass die Junioren nicht nur gegen die Escorts, sondern auch gegen unsere Gentlemen-Fahrer fahren mussten und, na die Geschichte hat’s ja gezeigt.
Nicht nur in Zolder sind die eingeschlagen. Und das ist das, was ich heute auch noch sage, die jungen Fahrer, wenn sie gut ausgebildet sind, die haben mehr Power, die sind wissbegierig, die sagen nicht, wenn Sie einen 40-jährigen Fahrer haben, der sagt dann immer, was geändert werden muss, weil alles früher besser war. Aus der Erfahrung.
Die jungen, die lernen und die denken immer einen Schritt weiter und sind schneller. Und wenn man dieses Erfahrungspotential durch ein besseres Lernverfahren unterstützt, dann sind die besser. Sieht man damals, sieht man auch bei den heutigen und sieht man auch bei den Mercedes-Junioren, die waren dann – als Schumacher in Spa im Formel 1 Auto diese erstaunliche Rundenzeit gefahren ist, da war die Welt ja … Es gab nur Einen, der vorher schon wusste, wie gut Schumacher war, Tom Walkinshaw. Der hat Schumacher in der Gruppe C erlebt und er hat sofort erkannt, er wusste, wie gut er war, die restliche Formel 1 Welt ja nicht.
Und das ist auch darauf zurückzuführen, dass man zu dritt mehr Power hat, mehr Energie aufbaut und deshalb auch schneller lernt. Das sieht man bei den jetzigen Junioren, die sind jetzt 22, auf dem Niveau der besten GT3-Piloten überhaupt. Sie sind auch entwicklungsfähig, sie wollen weiterkommen. Ja, ganz sicher. Und das ist aber ganz wichtig, wenn Sie einen jungen Fahrer, es gibt so viele, die gefördert werden, auch in der Formel 1, die Unterstützung kriegen, die die besten Teams kriegen. Wenn die nach dem Testen nachhause gehen, dann haben die eine andere Welt. Und die Junioren, die sind einfach 24 Stunden im Motorsport. Die lernen schneller und intensiver. Und das wundert mich, dass das eigentlich bisher kein anderer gemacht hat. Diese Form.
Und das ist vor allen Dingen, was wir jetzt machen mit dem BMW Junior-Team, wenn Sie drei Formel 1 Weltmeister in ein Hypercar setzen, bis die sich aussortiert haben, sind ja alles Egoisten, jeder will seinen Stil fahren, die Junioren sind gemeinsam, die kennen sich, die sind als Team besser und das ist eigentlich die Zielsetzung für unsere Junioren, dass sie in die Hypercar-Klasse kommen, als Team dann besser sind, als andere Teams.
DSM: So ein bisschen, als Quintessenz, kristallisiert sich dann doch heraus, Erfolg ist planbar!
JN: Zum großen Teil! Es gehört natürlich Glück dazu. Bei so Jungen, drei Junioren, da weiss man nicht … Und auch, sie haben so gut zusammengepasst, zusammen gearbeitet. Ein Großteil, zum Beispiel Max (Hesse) hat sich entwickelt, das ist phantastisch. Noch mal, er wär alleine auch irgendwo versandet …
DSM: Herr Neerpasch, wir bedanken uns ganz herzlich für dieses etwas andere Interview. Was Sie erlebt und hier erzählt haben, ist Motorsportgeschichte auf höchstem Niveau über mehr als 60 Jahre. Nochmals herzlichen Dank und noch viele weitere Jahre Freude am Leben (nicht nur am Fahren) und viel Erfolg!
– Das Gespräch mit Jochen Neerpasch führten Dr. Werner Koch und Thomas Roth anlässlich der DTM40 2024 am Norisring.
Ein besonderer Dank geht an Bodo Kräling, der uns aus dem reichhaltigen Archiv der Ferdi Kräling Motorsport-Bild GmbH mit tollen Fotos versorgte.