Dr. Werner Koch und Thomas Roth (DSM) unterhielten sich während des GT World Challenge Europe Events am Nürburgring mit dem CEO der SRO, Stéphane Ratel (SR).
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DSM: Zunächst einmal herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.
SR: Dafür bin ich hier.
DSM: Das stimmt und wir möchten Sie unterstützen, den GT-Sport noch populärer zu machen.
SR: Danke!
DSM: Wir haben einige Fragen vorbereitet, über die wir gerne sprechen möchten. Zunächst, wir waren in Spa und hatten gehofft, dieses Interview bereits dort zu machen, aber leider reichte die Zeit am Ende nicht. Beim 24 h Rennen von Spa standen 70 Autos am Start. Wie ich fand, eine sehr gute Startaufstellung. Tolle Autos, gute Fahrerpaarungen, großartiger Sport, das hat Spaß gemacht. Im Sprint Cup haben Sie 42 Autos und hier am Nürburgring sogar 54. Wenn ich an Interviews zurückdenke, dir wir in 2013 und 2014 geführt haben, dann sprachen wir damals auch über Teilnehmerzahlen und was Ihre Pläne und Hoffnungen diesbezüglich wären und was überhaupt dauerhaft möglich sein könnte. Zehn Jahre später sieht es diesbezüglich sehr sehr gut aus. Insgesamt gesehen, müssten Sie ein sehr glücklicher Mensch sein.
SR: Es ist ein Rekordjahr für uns, ganz klar. Niemals zuvor hatten wir so viele Fahrzeuge rund um den Globus am Start. Wir haben die volle Kapazität in vielen Serien. 55 Autos hier in der Endurance für die ganze Saison, 70 in Spa. Wir haben sogar ein wenig „überbucht“. Wir möchten keine Warteliste. Aus Erfahrung wissen wir aber, wenn man große Starterfelder akzeptiert, dass am Ende doch ein oder zwei Autos es letztlich nicht an den Start schaffen. Also haben wir die Meldungen von 72 Autos akzeptiert und am Ende hatten wir 70 am Start. 55 in der Endurance, 42 im Sprint, 50 in der GT4, 62 in Spa in der GT4. 40 Autos in Asien – volle Kapazität. 36 mit 18 GT3 und 18 GT4 in England. Wir haben noch etwas mehr Platz in Amerika in der Fanatec GT World Challenge America und in Australien, die sich gerade entwickelt. Aber ansonsten sind wir überall voll. Und GT2, unser neues Projekt, benötigt noch ein wenig mehr Zeit, um zu wachsen. Aber der Erfolg des GT Sports rund um den Globus ist phänomenal. Es ist ein wenig beängstigend, weil viel mehr geht nicht. In vielen Meisterschaften kannst Du Dich nur verschlechtern, wenn du noch mehr nimmst. Ich hoffe, wir können das aktuelle Maximum halten, oder wir werden schlechter werden. Diese Saison war ein fantastischer Erfolg und wir hoffen, dass es so bleibt.
DSM: Ich denke, das ist die Zukunft des Motorsports, wo Fans so viel wie möglich integriert sind. Im Gegensatz zur DTM, die immer für sich reklamierte, Fan-nah zu sein [„Ganz. nah. dran.“], es in Wirklichkeit aber nie war.
SR: Eines unserer größten Erfolgserlebnisse hier ist die Präsenz von Valentino Rossi in den letzten beiden Jahren. Aber Deutschland ist das falsche Beispiel, weil der Platzhirsch hier ist die DTM. Und jetzt, wo die DTM die gleichen Fahrzeuge wie wir am Start hat, ist es natürlich schwer. Aber wenn wir uns im Rest Europas umsehen, hatten wir überall mehr Zuschauer. Ich glaube, dafür gibt es drei Gründe.
Zuallererst: Der Name ist besser. Wir haben seit 1994 die gleiche Serie, aber wir haben den Namen sehr oft geändert. BPR Endurance Series, FIA-GT Championship, Blancpain GT Series und jetzt Fanatec GT World Challenge. Aber GT World Challenge ist ein guter Markenname. Er ist einfacher zu vermarkten, als es bei Blancpain war.
Der zweite Grund ist, dass Sim Racing uns geholfen hat. Es führte uns näher an mehr und jüngere Zuschauer heran. Und auch in dieser Hinsicht ist die Verbindung mit Fanatec sehr gut.
Das Wichtigste natürlich war, dass Valentino Rossi an der Meisterschaft teilnimmt. Nicht nur das, er hat sogar in Misano ein Rennen gewonnen und in Brands Hatch ein Podium errungen. Das verschafft der Meisterschaft Ansehen und hilft den Leuten an der Strecke. Also, alles wächst weiter, wächst in jeder Beziehung. Ich habe mich 30 Jahre lang um das Starterfeld gekümmert, denn das erste das Du brauchst, ist ein Starterfeld und jetzt, wo wir ein volles Starterfeld haben, können wir unsere Anstrengungen auf die Promotion richten. Für die kommende Saison konzentrieren wir unseren Hauptfokus auf die Promotion insbesondere der 100. Auflage der CrowdStrike 24 Stunden von Spa. Wir hoffen, dass wir etwas besonderes tun können. Wir könnten mehr Zuschauer in Spa haben, obwohl es bereits ein großes Event ist. Aber es sind trotzdem viel weniger Zuschauer, als beim 24 Stunden Rennen am Nürburgring. Das wird aber nicht zu erreichen sein, weil das Problem in Spa ist Camping. Es ist einfach keine Rennstrecke, wie Le Mans oder der Nürburgring, mit riesigen Camping Kapazitäten.
Spa ist viel begrenzter. 24 Stunden Rennen profitieren erheblich von großen Camping Kapazitäten und die haben wir in Spa nun mal nicht. Aber wir werden versuchen, besser zu werden.
DSM: Kommen wir zurück zum Thema Sim racing. Tim Heinemann drehte die schnellste Runde bei den 24 Stunden von Spa. Er ist ein erfolgreicher Simracer und hat gerade den Sprung in die reale Rennszene geschafft. Könnten Sie ein wenig mehr dazu sagen, wie Sim Racing den Motorsport auf der Rennstrecke beeinflusst?
SR: Gerade kommt der Film Gran Turismo in die Kinos über die Geschichte von Darren Cox, Nissan und Jann Mardenborough vor ungefähr 10 Jahren. Wir haben die Entwicklung des Sim racers zum realen Racer sehr eng verfolgt, aber während COVID hatten wir tatsächlich dieses zusätzliche Interesse an Sim racing, so dass wir es integriert haben.
Ihr habt die Fanatec Arena gesehen, alle jungen Fahrer unserer Serie, die am Sim Racing dort teilnehmen und Punkte für ihre Teams sammeln. Ich glaube, wir sind immer noch die einzige Rennserie der Welt, die Sim racing und reales Racing verknüpft. Dieses Jahr werden wir den Sim racing Wettbewerb an der Strecke durchführen, über den ich zu Anfang noch etwas besorgt war. Wir hatten das bereits letztes Jahr in Spa versucht. Als dann all die Sim racer, die von überall her kamen, und dann mein Sohn sagte, er kümmert sich um diese Sache, „Bist Du sicher, dass die Leute zum Nürburgring kommen werden? Zu den 24 Stunden von Spa zu kommen, ist etwas anderes, als am Nürburgring, einer Veranstaltung mit weniger Öffentlichkeit, diese Spannung zu erzeugen, ist weit schwieriger.“ Aber sie sind alle da, sie tun es und es stellt sich als großer Erfolg heraus. Und nun können wir sogar an diesem Wochenende eine Arena für Lamborghini machen, die ihren eigenen Sim racing Wettbewerb veranstalten werden. Also eine Integration die besser und besser funktioniert und ich hoffe es wird, es wird weiter wachsen. Ich denke, in Bezug auf Sim racing ist der Himmel das Limit. Die Menge Leute, die daran teilnehmen können, wir müssen weiter daran arbeiten, wie wir die Menschen in diese Form des Wettbewerbs integrieren können. Das Problem, das wir hatten war das Level. Es ist eine Wiederholung, warum wir diese großen Starterfelder haben. Weil wir Bronze, Silber, Gold und Professionals haben. Wie kann man das in der Welt des Sim Racings wiederholen? Denn wenn Du einen Wettbewerb veranstaltest, bei dem immer derselbe gewinnt, nimmt es den anderen die Lust daran teilzunehmen. Also müssen wir uns ein System ausdenken, um die gleichen Einstufungen wie im realen Rennsport zu haben. Das wird dazu führen, dass Sim Racing für mehr Menschen spannender und herausfordernder ist. Wenn Du gegen einen Top Simracer antrittst, hast Du keine Chance. Wir haben da einige Ideen, an denen wir gerade arbeiten.
DSM: Ein weiterer Punkt, den ich noch gerne ansprechen möchte. Ich finde es sehr gut, dass beispielsweise bei den 24 Stunden von Spa, nur eine Kategorie – nur GT3 Autos – antritt. Hier am Nürburgring – und ganz nebenbei, ich sitze seit ungefähr 10 Jahren in der race control und bin verantwortlich für die GPS-Überwachung „GPSAuge“, um die Einhaltung der Speed limits bei Doppelgelb und Code 60 zu kontrollieren – ist es meiner Meinung nach immer äußerst haarig, wenn ein Dacia Logan gegen einen Full speed fahrenden GT3 antritt. Ich denke, das ist extrem gefährlich.
SR: Natürlich sind wir sehr stolz darauf, dass wir das einzige Rennen ausschließlich für GT3-Fahrzeuge, mit 70 Autos der letzten Generation sowie hochkarätigen Teams, haben. Das ist der Grund, warum Spa heute, mit 70 Autos in einer einzigen Klasse, so einzigartig ist. Die 24 Stunden Nürburgring waren immer ein Wettbewerb mit vielen unterschiedlichen Klassen. Es ist Teil der Geschichte und irgendwie funktioniert das so. Und man darf natürlich auch nicht vergessen, dass der Nürburgring aufgrund seiner Länge, viel größere Starterfelder zulässt. Es wäre schade für die Zuschauer. Nur 70 Autos auf der Strecke, sähe ein wenig leer aus. Der Ring ist dreimal so lang wie Spa, um also mit Spa zu konkurrieren, würde es 210 Autos benötigen. Und 210 GT3 in einem Rennen ist unmöglich zu realisieren.
DSM: Ich habe eine Befürchtung, wir haben es im Grunde bereits in diesem Jahr mit dem Unfall des Dacia erlebt. Wir hatten ein Riesenglück. Das Problem ist ganz einfach der große Geschwindigkeitsunterschied zwischen einem kleinen, langsamen Auto und einem full Speed fahrenden GT3.
SR: Wie ich bereits sagte, wenn die 24 Stunden Nürburgring zur IGTC zählen sollten, bleiben sie in ihrer Fahrzeugwahl völlig unabhängig. Da möchte ich mich nicht einmischen.
DSM: Wir haben bereits 2013 darüber gesprochen, warum Sie das 1000 km Rennen (in Bezug auf die damalige Blancpain GT Serie) statt auf der Grand Prix Strecke nicht auf der Nordschleife ausgetragen haben. Sie sagten damals, dass die Teams die regelmäßig an der (damals) VLN teilnähmen, dann einen zu großen Vorteil hätten.
SR: Es ist ein sehr spezieller Kurs. IGTC ist ein Herstellerwettbewerb zwischen verschiedenen Teams. Sie würden sich spezieller Teams bedienen, wie das Team, das dieses Jahr mit Ferrari gewonnen hat. Es sind spezielle Nürburgring Nordschleife Teams. Jeder Hersteller kann ein spezialisiertes Team einsetzen, um am Nürburgring zu starten.
Wenn es eine Teammeisterschaft wäre, würde ein französisches Team, ein britisches Team, auf dieser Strecke keine Chance haben.
DSM: Dieses Jahr gibt es in der Fanatec GT Challenge 5 verschiedene Klassen, anstelle der bisherigen 3. Glauben Sie nicht, dass dies für den Gelegenheits-Fan ein wenig unübersichtlich ist?
SR: Ich weiß, aber irgendwie sorgt das am Ende des Tages für große Starterfelder. Jeder ist zufrieden und wir haben keine „micro-grids“. Alle haben eine ansehnliche Größe, ich glaube die kleinste Kategorie hat 7 Fahrzeuge dieses Wochenende, so dass wir die Klassensieger bedenkenlos auf dem Podium ehren können. Die Fans müssen sich ihre Kategorie aussuchen und nach den Spitzenreitern schauen. Man muss schon ein sehr großer Fan sein, um im Detail zu wissen, wer in welcher Klasse antritt. Wenn jemand ein Gelegenheits-Fan ist, schaut er nach der Spitze der Gesamtwertung.
Die meisten Leute machen das und was Du sehen möchtest, ist ein großes Starterfeld mit vielen verschiedenen Autos. Was das System so speziell macht – ich bin selbst vor kurzem, nach 20 Jahren Abstinenz, noch einmal gestartet – es gibt kein größeres Vergnügen, als Rennen zu fahren. Dieser Kerl, der da alleine fährt (er deutet auf den Fernsehbildschirm, der einen Nachzügler im Rennen der McLaren Trophy zeigt), vergnügt sich möglicherweise, aber er hat nicht die optimale Situation. In der Fanatec GT Challenge ist es sehr selten, dass Du alleine herumfährst. Du bist ständig im Zweikampf. Das ist es, was die GT Challenge so besonders macht. Es gibt keine andere Rennserie, die in den letzten 10 Jahren konstant Starterfelder von 50-60 Autos aufweisen kann. Das ist schon etwas und einer der Gründe, warum die Leute hierher kommen.
Als Fahrer bist Du ständig im Kampf, egal in welcher Klasse Du startest. Und unsere Klassen funktionieren sehr gut, die Fahrereinstufung. Ich sage immer wieder, mein größter Beitrag im Motorsport war nicht GT Racing, sondern es war die Balance of Performance und die Fahrereinstufung.
My biggest contribution to motorsport was not GT racing, my biggest contribution has been Balance of Performance and driver categorization.
Stéphane Ratel
Die beiden Dinge, die ich im Motorsport eingeführt habe und die sich durchgesetzt haben. Als ich die Balance of Performance vorstellte, hätte ich nicht geglaubt, dass 20 Jahre später die Top-Kategorie in Le Mans eine BoP verwenden würde. Die Menschen haben mich ausgelacht und das gleiche ist mit der Fahrereinstufung passiert. Sie sagten, „Was soll das mit den Kreditkartenfarben?“ und nun hat sich das System über den Globus ausgebreitet. Unser Erfolg ist die BoP und die Fahrereinstufung und es funktioniert, es funktioniert wirklich. Wenn man sich den Wettbewerb in jeder der einzelnen Klassen ansieht, es funktioniert. Man kann keine 52 Fahrzeuge haben, die nicht auf dem Podium landen, wenn 55 am Start sind. Die 52 fragen sich, warum sie Rennen fahren sollen. Wir haben in Bezug auf Sim racing davon gesprochen, dass wir das wiederholen müssen, wenn wir tausende Spieler haben wollen, die im Wettbewerb eine Chance haben. Das müssen wir erreichen.
DSM: Die DTM war traditionell eine Herstellerserie mit speziellen Autos und wechselte erst kürzlich zu GT3 Autos …
SR: DTM stellt eine Herausforderung in Bezug auf die BoP dar, weil die BoP für Endurance Racing oder ein Sprint Format mit zwei Fahrern entwickelt wurde. Um sie bei der DTM zu verwenden, die eine Sprint Serie mit nur einem Fahrer ist, kontaktierte ein Hersteller Claude [Surmont, Technical Director SRO] als ich am Norisring war und wollte eine Anpassung auf nur eine Zehntelsekunde. Als wir die BoP mit der FIA eingeführt haben, war das Ziel, alle Hersteller innerhalb von 0,8 Sekunden zu haben. Dann war das Ziel, alle Fahrzeuge in einer halben Sekunde unterzubringen, jetzt ist das Ziel 3 Zehntelsekunden.
Aber ein oder zwei Zehntel ist eine extreme Herausforderung. Aber in der DTM existiert sie. Sie haben viele Top Fahrer und es ist eine echte Herausforderung.
DSM: Als das ADAC GT Masters Ihre BoP einführte, wurden die Rennen spannender. Es gab 29 Autos innerhalb nur einer Sekunde im Qualifying.
SR: Das GT Masters war wirklich sehr gut für die BoP. Jetzt ist es eine noch größere Herausforderung, weil wir noch mehr unter Druck stehen, aber ich glaube Claude macht einen fantastischen Job. Wir müssen dem System vertrauen.
DSM: Wenn ich an Langstreckenrennen von vor 50 Jahren denke, ist es für mich heute überraschend, dass diese hochentwickelten Fahrzeuge einen Speed über 24 Stunden durchhalten, praktisch am Maximum. Es handelt sich längst nicht mehr um 24 Stunden Langstreckenrennen, sondern um 24 Stunden Sprints. Vor 50 Jahren fielen die Autos wegen eines Defektes an einem 10 Cent teuren Teil nur zwei, drei Stunden nach dem Start, aus.
SR: Wenn man sich das heute ansieht, sind praktisch alle Ausfälle durch Unfälle bedingt. Ein mechanischer Defekt an einem GT3 ist extrem selten. Extrem selten! Es gibt kein defektes Getriebegehäuse, ein gebrochenes dies oder jenes, nein.
DSM: Genau wie bei den aktuellen Straßenautos, die erheblich weniger Service und Wartung benötigen, als früher. Und auch sie sind technologisch wesentlich höher entwickelt, mit Millionen von Gründen kaputtzugehen, aber das passiert nicht.
SR: Sie sind echt zuverlässig und das macht einen Teil des Vergnügens aus. Stell Dir vor, Du hast die ganzen Kosten um an einem 24 Stunden Rennen teilzunehmen, nach zwei Stunden fällst Du wegen eines gebrochenen Differentials, einem gebrochenen Getriebegehäuse oder Motorschaden aus. Wenn Du keinen Unfall hast, kommst Du ins Ziel.
DSM: Zurück zu den 24 Stunden von Spa. Dort gab es einen Unfall zwischen Charles Weerts und Neil Verhagen, zwei BMW Werksfahrern. Aus unserer Sicht hatte das mit einer FCY zu tun.
SR: Wir machen seit Jahren FCY, wir hatten nie ein Problem damit. Wir glauben, dass es ein gutes System ist. Wir wollen keine Slow zones wie in Le Mans, weil dies nur auf sehr langen Strecken wie Le Mans gerechtfertigt ist. Auch wenn Spa lang ist, ist es dennoch nur halb so lang wie Le Mans. Aber ich weiß, dieser eine Unfall tut uns leid. Wir werden aber wegen einem einzigen Unfall nicht alles ändern. Und wenn man sich die Sache genau ansieht, dann war es kein „Ah, der Rennleiter hat einen Fehler gemacht“ – nein, er hat keinen Fehler gemacht. Wir haben es uns im Detail angesehen, er hat keinen Fehler gemacht. Es gab eine FCY und dafür sind FCY da. Wir hatten ein Fahrzeug im Kiesbett, sie kamen wieder heraus und dann war da die FCY, was passieren kann. Das ist der Grund, warum man nicht sofort zum SC greift, man macht FCY, wenn sich die Sache schnell von selbst erledigt, beendest Du die FCY und gehst zurück auf Grün. Kurz darauf gab es eine weitere FCY. Auch wenn zwei Top Teilnehmer aus dem Rennen gerissen wurden – und es tut uns leid für BMW – werden wir das System, das über Jahre gut funktioniert hat, nicht wegen eines Unfalls ändern. Der in keiner Weise tragisch verlaufen ist, niemand ist zu Schaden gekommen oder wurde ernsthaft verletzt.
DSM: Thema Nachhaltigkeit: Sie haben bekanntgegeben, dass Sie nächstes Jahr einen neuen Kraftstoff verwenden wollen, der zu 100 % erneuerbar ist.
SR: Korrekt, 100 % Bio.
DSM: Vor zwei oder drei Jahren hatten wir 50 % erneuerbaren Treibstoff im ADAC GT Masters.
SR: Das genau ist der Grund, warum ich sage, entweder man macht etwas gar nicht oder man macht es richtig. In diesem Fall können wir uns beim ACO bedanken, der uns den Weg aufgezeigt hat. Sie haben es gemacht und wir sind ihnen dicht gefolgt. Es war nicht einfach, es hat viele Diskussionen mit den Herstellern bezüglich der Adaption gegeben. Aber seitdem wir das gleiche wie der ACO machen, müssen sie nur am Motorkennfeld arbeiten. Sie müssen die Motoren auf dem Prüfstand testen. Wovor die Hersteller sich fürchten, ist die Tatsache, dass die Welt der Biokraftstoffe so viele verschiedene Formulierungen [des Kraftstoffes] bietet. Da gibt es Shell mit 50 %, einige andere mit 30 oder 60 % und alle mit unterschiedlichen Formulierungen. Es wird mehr und mehr unmöglich für sie, es ist zu teuer. Die Tatsache, dass wir mit TotalEnergies unterschrieben haben, um die exakt gleiche Formulierung wie Le Mans zu haben, wurde positiv aufgenommen. Es gab zu Beginn etwas Zurückhaltung von einigen Herstellern, aber nun arbeiten sie daran. Es bedeutet etwas mehr Aufwand für die Teams, weil der Treibstoff etwas komplexer zu handhaben ist.
Aber es ist essentiell, weil wir als SRO eine große Anstrengung im Bereich Nachhaltigkeit unternehmen. Wir berechnen allen Bewerbern eine sogenannte Carbon tax. Das Geld fließt dann komplett in acht verschiedene Projekte, die alle wichtig sind. Von der Bindung von CO2 bis zum Pflanzen von Bäumen, es geht um die Erhaltung der Natur. Wir geben eine Menge Geld dafür aus. Nächstes Jahr haben wir 100 % CO2 Einsparung, aber das ist ein wenig greenwashing, auch wenn wir tun, was wir tun können. Biotreibstoff ist ohne Zweifel der sichtbarste Teil, auch wenn die Emissionen der Autos nur für etwas 5 % verantwortlich sind, sind sie im Fokus. Wir berücksichtigen nicht die Zuschauer, die zu den Rennen kommen, denn jeder Sport hat Zuschauer, auch Radfahren oder Tennis. Wir zählen die Emissionen der Logistik. LKWs, Fahrer, die eingeflogen werden und so weiter. Und die Rennwagen machen nur 5 % aus, aber gerade da müssen wir uns anstrengen.
Mit unserer GTX arbeiten wir an der Zukunft, einer Umweltformel mit Elektroautos. Ziel ist es, 2025 mit der Targa Florio zu beginnen und wir sind sehr zielstrebig dabei.
DSM: E-Racing?
SR: Wir können es nicht ignorieren. Es ist eine Lebensrealität und wir müssen nach vorne in die Zukunft schauen. Wir werden natürlich mit der jetzigen Art von Rennen weitermachen. Wir sind die Marktführer im GT Sport, aber wir können nicht einfach die Elektrifizierung in den zukünftigen GTs ignorieren. In 10 Jahren werden die meisten GT elektrisch fahren. Wenn man eine gute Beziehung aufrechterhalten möchte – wir haben in den letzten 30 Jahren eine gute Beziehung zu den meisten GT-Herstellern aufgebaut – und wir müssen diese Beziehungen nutzen, um irgendetwas in der Welt der Elektrofahrzeuge zu machen.
DSM: Monsieur Ratel, nochmals vielen Dank für das sehr interessante Interview und weiterhin viel Erfolg.